Was Huter (weiter unten) in kurzen Worten über die richtige Gesellschaftskultur schreibt ist so einfach und klar,
daß man fühlt,
es entspricht dem Werden in der Natur.
Wer mit offenen Augen und freiem Sinn viel Lebenserfahrung gesammelt hat, –
der weiß,
daß erst die idealen und höheren Interessen jeder Arbeitsgemeinschaft die Würze und das Glück des Lebens verleihen.
Was edle Gesellschaftskultur ist,
wird durch das vortreffliche Bild von Prof. Karl Bauer, München, so recht illustriert, das Goethe und Frau von Stein, ihrem jüngsten Kinde und Carl August, dem Großherzog von Sachsen-Weimar, zeigt.

Goethe mit Frau von Stein und dem Großherzog Karl August von Prof. Karl Bauer in München.
Man glaubt förmlich zu sehen, daß über dem Zusammensein dieser Personen, die in einem Freundschaftsverhältnis zueinander standen, ein großes Glück liegt.
Es ist das höhergeistige Interesse und die Sympathie, die diese Personen verbindet und so ähnlich sollte sich jede Gesellschaftskultur im großen und im kleinen aufbauen.
Die Personen haben sich gegenseitig als Menschen und in ihrer schöpferischen Arbeit gefördert.
Diese Harmonie war nur denkbar durch das höhergeistige Interesse, das die Richtung angab.
Daraus entstand für Goethe die große innere Freude, die stärkste Anregung zum Dichten und Schaffen, für Frau von Stein eine innerliche Vertiefung, Selbstbildung und Veredelung und für den Großherzog ein kultureller Hochstand, der dem ganzen Lande zugute kam.
So pflegte dieser Kreis, zu dem ja noch viele weitere menschlich hochstehende Persönlichkeiten gehörten, z.B. die Großherzogin Mutter und Herde, eine innere und äußere Kultur, Kunst, Wissenschaft und Wirtschaftlichkeit, die befruchtend auf viele Jahrzehnte fortwirkte.
Solche harmonische gesellschaftliche Bindungen sind im kleinen und im großen zu erstreben, – denn tatsächlich gibt es ja kein größeres Glück auf Erden, als im Kreise gleichgesinnter Menschen, mit denen man harmoniert, zu arbeiten und nicht nur geschäftlich tätig zu sein, sondern ebenso stark und noch stärker die edle und höhergeistige Interessen zu verfolgen.
Man hat von dem ganzen Bilde einen sehr guten Eindruck, – denn die Augen- und Gesichtsformen der Personen haben bei aller Kernigkeit die wohltuende Rundung, Offenheit und Schönheit.
Auch der Raum paßt gut dazu, das Sofa, der einfach gedeckte Tisch mit den Blumen und das verträumte Kindchen, das halb unbewußt die Geistesschwingungen mitfühlt und so in seiner Weise Anteil nimmt.
Wie natürlich und geistesgeweckt ist allein die Körperhaltung Goethes, – kühn zeigt sicht der Genius in dem ausgesprochen wohlgeformten Gesicht mit der breitkernigen, klaren und hohen Stirn, dem großen, offenen Auge, der darstellenden Kraft in der schönen deutschen Nasenform, dem sprechenden Mund und dem impulsiven Kinn.




Harmonisches Naturell [Hinzugefügt]
Die wohlgeformte, schöne Gestalt der Frau von Stein mit der klassisch reinen Nasenform und dem interessierten Blick, dem belebten Zug des Mundes zeigt die rege geistige Anteilnahme und die Seelenverbundenheit.
Und der Großherzog rechts davon mit der kurzen Tonpfeife, dem klaren Gesicht und dem Blick des Wohlwollens, das auch Wange und Mundzug widerspiegeln, zeigt das Glück, das er empfindet, mit solch geistig interessierten Menschen einig zu gehen.
Es ist Wahrheit,
daß erst die geistige Kultur das materielle Glück sichert,
das ohne dieselbe leicht versimpelt, fad und öde wird,
den sicheren Halt verliert
und keine tiefere innere Befriedigung verleihen kann.
Wir kennen den Geist der Zeit und die Personen unseres Bildes aus der Überlieferung und nehmen durch die lebendige Sprache der Formen mit eigenem Aug` und Sinn unmittelbar die ganze Wahrheit auf.
Was wäre diese schöne Darstellung ohne Menschenkenntnis? –
lediglich ein schönes Bild der Erinnerung und ein graphisches Kunstwerk.
So aber lernen wir daraus mit Menschenkenntnis auf naturwissenschaftlicher Grundlage, wie der Geist in den Formen sich offenbart,
daß der Mensch selbst nach Körperbau, Aug` und Angesicht das höchste Studienobjekt ist, das wir auf Erden kennen. –

GRUNDLEGENDE ENTDECKUNGEN
Fortsetzung des Originaltextes von Carl Huter, 1910.
X.GESELLSCHAFTSKULTUR.
Zur richtigen Gesellschaftskultur ist es notwendig, daß man sich Freunde und Mitarbeiter sucht oder heranbildet, die gern und selbstlos nicht über Gebühr hinaus eigenen, egoistischen Interessen nachgebend, mit einem treu und redlich schaffen und arbeiten.
Auf solcher gemeinsamen Grundlage läßt sich jeder Betrieb, jedes Geschäft, jedes Unternehmen, gleichviel welcher Art, aufbauen und erfolgreich durchführen.
Ein Mensch allein vermag wenig, zwei Gleichgesinnte vermögen mit vereinter Kraft viel – viele Gleichgesinnte können alles.
Wir sehen hieran, daß auch jede gesellschaftliche Organisation durch ideale Interessen, mindestens durch das Band der Sympathie und Liebe aufgebaut sein muß.
Alle Gesellschaftslehren, die diesem zuwiderlaufen, sind Irrtümer.
Wenn die Sympathie zwei zusammenarbeitende Menschen beruflich vereint, so ist einer von beiden der Leiter, der andere, der sich diesem Unterordnende.
Zwei Herren kann es nicht geben.
In einem Betriebe können mehrere Besitzer, viele Arbeiter, aber es kann nur ein oberster Betriebsleiter sein.
Jede Organisation hat daher einen Leiter und ist aristokratisch aufgebaut.
Selbst der Vorzug der organischen vor der anorganischen Materie kennzeichnet sich durch das Vorherrschen des aristokratischen Lebens- oder Leitprinzips.
An der Spitze kann immer nur eine geistige Leitkraft dirigieren.
Man stelle sich vor, auf einer Lokomotive würden zwei Führer um die Herrschaft der Führung sich streiten, ein solcher Zug würde in kurzer Zeit zum Stillstand oder zur Entgleisung kommen.
Ähnlich ist es mit jedem Staat.
Viele können an einem Tage im Jahre einen Regenten, Präsidenten, Staats- oder Heerführer, Häuptling oder König wählen,
aber diese Vielen können nicht 365 Tage im Jahre über diesen herrschen und regieren wollen, dabei würde die ganze Staatsmaschine zerstört werden.
Aber der Eine kann 365 Tage über viele regieren und alles bleibt in Ordnung.
Es gibt demokratisch ausgebautes, aristokratisches Staatsprinzip,
aber es gibt kein demokratisches Regierungssystem,
denn auch jede Republik hat ein aristokratisches Regierungssystem.
So wie dieses Gesetz im Großen gilt, so herrscht es auch im Kleinen und im kleinsten Gemeinschaftsleben, in der Ehe.
Auch in der Ehe soll einer herrschen.
Daß diese Herrschaft dem schwachen Geschlecht zufallen soll, wird man diesem nicht zumuten können, diese Bürde wäre zu schwer, es könnten nur seltene Ausnahmefälle in Frage kommen.
Die Ehe kann aufgebaut sein wie eine Republik,
das heißt, das Weib kann sich ihren Mann frei als ihren Herzenskönig erwählen.
Ist aber diese Wahl einmal getroffen, so soll sie auch das Szepter der Regierung dem Manne überlassen und sich ihm fügen und unterordnen und ihm treu dienen und ergeben sein;
ohne dieses Verhältnis der Unterordnung unter die Herrschaft eines Einzigen kann auch keine Ehe bestehen.
Zwei können niemals zu gleicher Zeit regieren und verschiedene Meinungen gegen einander durchsetzen. Einer von ihnen muß sich immer fügen.
Was aber ein Weib vermag, ist, daß sie ihren Gatten in Liebe gewinnen kann für sich und ihre Ideen.
Sie kann also nicht mit der Kraft und dem Willen, sondern nur mit der Liebe vorherrschend wirken.
Damit nun diese wichtigste Gesellschaftsform, die Ehe, harmonisch und glücklich werde, ist nötig,
daß sich die Ehegatten im Geschlechtsempfinden möglichst nahestehen,
im Temperament verschieden sind, aber nicht zu konträr liegen
und sich im Naturell völlig ergänzen,
daß sie im Charakter viele harmonische Berührungspunkte haben
und in der Moral und im Lebens-Ideal einer Meinung sind.
Nur auf diesen Grundlagen läßt sich eine harmonische Ehe-Gemeinschaft aufbauen.
Daß dieses mit Hilfe der wissenschaftlichen Psycho-Physiognomik [Physiognomische Psychologie] möglich ist, habe ich tausendfältig nachgewiesen.
Es ist also moralische Pflicht jedes Mannes, jedes Weibes, eine glückliche, harmonische und achtbare Ehe zu gestalten zu suchen mit Hilfe der Charakterologie und praktischen Menschenkenntnis.
Solche Glücksehe nenne ich auch die ethisch-schöne, die kallisophische oder göttliche Ehe.
Die Kinder aus solcher Ehe sind meist begabte und glückliche, seelenreine Kinder.
Beide, Mann und Weib, sollten streng genommen rein in die Ehe gehen, d.h. ohne vorher geschlechtliche Berührung gehabt zu haben.
Fand diese statt, so haben beide ideale Verluste erlitten; aber einen Vorwurf sollte darum keiner dem andern machen, denn es ist möglich, den Verlust durch um so größere Liebe und Freude für einander wieder gut zu machen.
Selbst Krankheiten sind durch die Liebe und mit gutem Willen zu heilen und zu überwinden; auch aus solchen Ehen, wo die Ehegatten krank waren und enthaltsam lebten, können nach Gesundung glückliche Nachkommen hervorgehen.
Wo jedoch Mann und Weib solche Liebes-Lebensehe nicht fanden, da sollen ihnen die Möglichkeiten gegeben sein, durch Neugründungen von verschlechtslosen, kallisophischen Familiengemeinschaften die Annehmlichkeiten der Familie zu genießen.
Das Kneipenleben würde dadurch verringert, die Gemütsverrohung vermindert, die seelische Kultur gefördert werden.
Was ich sonst noch über Liebe, Ehe und Familie gelehrt und geschrieben habe, behandelt nur die Auseinandersetzung mit wichtigen Irrungen sexueller Art, die immer bestanden haben und immer bestehen bleiben werden, auch außerhalb dieser idealen Eheform.
Ich habe dafür befriedigende Lösungen zu finden mich bemüht und dieses ist in meinen Schriften,
„Die neue Ethik“,
„Die Liebe, Ehe und Familie der Zukunft“,
„Huter – und Häckel“,
dargelegt,
auch ist dieses in der Schrift meiner Anhänger „Ergänzungen zu Carl Huters neuer Ethik“ und der Schrift „Welche intellektuellen und moralischen Qualitäten sind erforderlich, um ordentliches Mitglied des Huterschen Bunde zu werden“ noch eingehender erklärt.
(Der Bund bestand zu Huters Lebzeiten. – Die Originalwerke sind teilweise noch lieferbar.) [Gesamtschau-Digital: Carl Huters Menschenkenntnis unter http://www.chza.de – kreiert by Medical-Manager Wolfgang Timm, © 2004-2009, im Auftrag vom Verlag Carl-Huter-Zentral-Archiv in enger Kooperation mit der sehr renommierten Physiognomischen Gesellschaft Schweiz, PGS.]


XI. DIE IDEALLEHRE.
Jede Ehe, jede Familie, jede Gemeinschaft sollte einem Ideale dienen.
Jedes Haus sollte einen Idealkultus, eine Geist- und Gottesdienst und einen ethischen Schönheitskultus haben.
Wo man der alten Religion aus abweichenden Meinungen und Gewissensnot nicht mehr dienen kann, da soll man sich einer andern Religionsgemeinschaft anschließen oder eine neue Religion suchen;
denn ohne Ideallehre, d.h. ohne ernstes Nachsinnen über den letzten Grund des Lebens und die höchsten Bestimmungen und Ziele des Lebens wird ein Stillstand eintreten, Fadheit, moralischer Verfall, Splitterrichterei und Unzufriedenheit würden die Folgen sein.
Denn erfahrungsgemäß haben nur die Menschen, die Ehen, die Familien, die Völker die meiste Lebenskraft in sich, welche die stärkste Religion haben.
XII. IDEALKULTUR,
Daher soll jeder eine Idealkultur treiben, einmal für sich allein in seiner Behausung, in seinem Garten.
Er soll aber auch das Ideale, so wie es hier gelehrt wird, in Gemeinschaft mit andern und mit seinen Lieben und in Gemeinschaft mit vielen Gleichgesinnten pflegen.
Man soll die Ideale, harmonische Liebe, Ehe, Familie auf dem Hausaltar als Vorbild pflegen, und darüber soll Licht, Liebe und Schönheit glänzen.
Die Wahrheit über den Tod = Unsterblichkeit der Seele [Hinzugefügt]
Der Glaube an Unsterblichkeit der Seele, Wiedersehen und Vergeltung,
wenn der Tod die Ehe zerrissen, die Familie betrübt hat, soll bei jedermann, in jeder Ehe und in jeder Familie und sonstigen Lebensgemeinschaften wieder gepflegt werden.
ICH LEHRE, MAN SOLL ÜBERALL WIEDER GLAUBEN, LIEBEN UND HOFFEN LERNEN.
Viel Großes, Gute, Herrliche und Schöne ist schon in den herrschenden Religionen erreicht, Größeres, Heiligeres, Weltumfassendere soll noch durch diese meine Lehre und Neukultur geschaffen werden.
Das ist mein fester Wille und der Wille eines großen Teiles meiner Schüler und Anhänger.
Fortsetzung folgt.
[Hinzugefügt]
Im 16. Jahrhundert gab della Porta, ein Verwandter von dem großen Architekten Porta, dem Miterbauer der Peterskirche in Rom, ein Werk über vergleichende Tier- und Menschenstudien heraus, das die gesamte Kunst und das Kunstgewerbe seiner Zeit beeinflußt hat.
Dann trat Johann Caspar Lavater in Zürich mit seinem gewaltigen Sammelwerk „Physiognomische Fragmente“ 1774 bis 1778 an die Öffentlichkeit; durch ihn wurde die Physiognomik ganz besonders populär gemacht.
Er hatte die bedeutendsten Maler, Schriftsteller, Philosophen und Naturforscher als Freunde für die Sache gewonnen.
Dieses erweckte bald den Neid niedriger und gemeiner Naturen, deren Hauttalent gewöhnlich darin besteht, alles Schaffen großer Männer, das sie nur halb verstehen, dem sie aber nichts Ebenbürtiges an die Seite zu stellen vermögen, herabzusetzen, in den Schmutz zu ziehen und zu entstellen.
So fand auch Lavater in dem Zyniker Lichtenberg einen gemeinen Gegner
und siehe da, nach dem Grundsatz „Gleich und Gleich gesellt sich gern“, schlug sich die größere Masse derer, die Lavaters Arbeiten unverstehend gegenüberstanden, in Verbindung mit noch anderen Neidern und Ignoranten – auf Lichtbergs Seite und Lavaters Arbeit fand nur noch liebevolles Studium bei den Verständigen.
Heute stellt Lavater bei den praktischen Amerikanern, die neuerdings für jedes Lavatersche Originalwerk einen Preis von 1000 Dollar zahlen, in hohem Ansehen.
Mancher Zurückgebliebene in der alten Welt, bei dem die Suggestionen des verlogenen, geistigen Verbrechers Lichtenberg, noch heute mehr gelten als die edlen Arbeiten des wunderbaren Höhenmenschen Lavater, läßt sich auch in diesem Punkte von dem klugen Amerikaner überholen.
Lavater war aber nur Sammler und Gefühlsphysiognomiker und in diesem Sinne müssen auch seine Werke gelesen und verstanden werden.
Lavater hat keine wissenschaftliche [Physiognomische Psychologie] begründen wollen,
das hat er seither immer und immer wieder betont, er wollte nur durch Wort und Bild das Interesse für diese werdende Wissenschaft wecken,
er wollte anregen und fördern und das hat er im hohen Maße getan.
Daher bleibt er der edelste und beste Vorkämpfer der guten Sache, einer natürlichen Psychologie, die ich vertrete.
Fortsetzung folgt.
