ABHÖRSKANDALAuch britischer Geheimdienst späht Daten aus
Edward Snowden enthüllt neue Geheimnisse: Demnach treibt es der britische Geheimdienst beim Ausspähen des Netzes noch schlimmer als der amerikanische. Das Spionageprogramm „Tempora“ zapfe etliche Internetknotenpunkte an.
LondonDer britische Geheimdienst übertrifft nach einem Bericht des „Guardian“ sogar alle amerikanische Spionageagenturen. Wie das Blatt berichtet, hat sich der Geheimdienst GCHQ (Government Communications Headquarters) Zugang zum weltweiten Internet beschafft und schöpft dort „Unmengen von Daten“ ab, die dann wiederum mit den US-Partnern von der NSA (National Security Agency) geteilt würden. Neben E-Mails, Einträgen im sozialen Netzwerk Facebook oder auch Telefongesprächen würden auch persönliche Informationen der Nutzer gespeichert und analysiert.
Die Informationen des „Guardian“ vom Freitag stammen von dem Amerikaner Edward Snowden, der erst vor kurzem Details über „Prism“, das Überwachungsprogramm der NSA, an die Öffentlichkeit gebracht hat. Das britische Spionageprogramm „Tempora“, das nach dieser Darstellung noch umfangreicher als das amerikanische sein soll, ist seit eineinhalb Jahren in Betrieb und erlaube der GCHQ die Daten anzuzapfen und für bis zu 30 Tage zu speichern. GCHQ habe es geschafft, schreibt das Blatt weiter, zur Beschaffung der Informationen zahlreiche Internetknotenpunkte anzuzapfen.
So spähe der GCHQ den Internetverkehr aus, der über das Glasfasernetz läuft. Für die Überwachung und Analyse von über 200 Glasfaserverbindungen laufenden Daten setze das GCHQ 500 Mitarbeiter ein. 95 Prozent des internationalen Online-Datenverkehrs läuft über das Glasfasernetz. Ein Sprecher des Geheimdienstes wollte sich nicht dazu äußern. Die Enthüllung dürfte den Druck auf die britische Regierung erhöhen, zu erklären, wie sie Daten sammelt und nutzt.
Fragen und Antworten zu PRISM
Bekommen US-Geheimdienste Informationen von Internet-Unternehmen?
Ja, und das ist auch seit Jahren bekannt. Nach dem „Patriot Act“ können Behörden mit Gerichtsbeschluss Zugang zu Informationen bekommen. Das neue an den Berichten über ein Programm Namens „PRISM“ wäre der freie Zugang zu den Servern von Google, Facebook und Co. statt eines punktuellen Zugriffs. Sowohl die Regierung als auch die Unternehmen weisen dies zurück. Laut US-Geheimdienstkoordinator James Clapper ist „PRISM“ nur ein internes Computersystem der Behörden.
Die US-Regierung betont, dass die Überwachung und die Verwendung der Daten strikt überwacht werden, von wem?
Gibt es Anhaltspunkte dafür?
Könnte der Geheimdienst sehen, wie Ideen beim Tippen bestehen?
Könnte die NSA Daten auch ohne Kooperation bekommen?
Wie glaubwürdig sind die Dementis der Internet-Konzerne?
Aus Dokumenten gehe hervor, dass Großbritannien die meisten Internetdaten von den sogenannten Fünf Augen sammele – der Spionageallianz, der die USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland angehören.
Der GCHQ habe die technischen Möglichkeiten, theoretisch einen gewaltigen Anteil der täglichen Kommunikation der Welt – einschließlich E-Mails und Telefonaten – zu überprüfen. Wie viele Daten die Briten aus dem Datenstrom kopieren und abspeichern, sei unklar. „Das ist eine Riesenmenge Daten“, zitiert das Blatt aus einem Foliensatz einer Präsentation. Eine Folie trage die Überschrift: „Sammelt alles.“
Dem „Guardian“-Bericht zufolge erfolgt die Spähaktion der Briten mit Hilfe von Firmen, die nicht genannt wurden. Sie seien per Gerichtsbeschluss zur Zusammenarbeit gezwungen worden und müssten die Anordnungen geheim halten. Außenminister William Hague sagte kürzlich, der GCHQ halte sich bei der Auswertung von Spähaktionen immer an britisches Recht. Über eine Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten machte er keine Angaben.
Nach Angaben von Edward Snowden wollte er „das größte unauffällige Überwachungsprogramm in der Geschichte der Menschheit“ aufdecken. „Es ist nicht nur ein US-Problem“, zitierte ihn der „Guardian“. Auch Großbritannien habe „einen großen Hund im Rennen“. GCHQ sei „schlimmer als die US (Kollegen)“.
Auch britischer Geheimdienst späht Daten aus
« 2 / 2„Warum nicht jederzeit alle Signale sammeln?“
„Warum können wir nicht jederzeit alle Signale sammeln“ wird NSA-Chef Keith Alexander auf einer anderen Folie zitiert. „Hört sich nach einem guten Sommerprojekt für Menwith an.“ Menwith ist ein GCHQ-Abhörzentrum in Nordengland.
Das Government Communications Headquarters wies in einer per E-Mail versandten Erklärung darauf hin, dass alle seine Aktionen nach Recht und Gesetz erfolgten. „Unsere Arbeit wird in Übereinstimmung mit einem strengen rechtlichen und politischen Rahmen ausgeführt, der sicherstellt, dass unsere Aktivitäten genehmigt, notwendig und verhältnismäßig sind“, erklärte der GCHQ.
Der „Guardian“ hat mit seinen Berichten über Snowdens Enthüllungen eine internationale Debatte über die Ethik von Spionagediensten und den Schutz der Privatsphäre von Bürgern ausgelöst. Der Zeitung zufolge wertet der GCHQ stichprobenartig den Datenverkehr aus. Inzwischen gehe der Abhördienst mit 600 Millionen Telekommunikationen täglich um – wie genau, berichtete der „Guardian„ aber nicht. So blieb unklar, ob der GCHQ systematisch Daten abspeichert.
Snowden hatte Informationen zu Überwachungs-Programmen des US-Geheimdienstes NSA an die Medien gegeben und war nach Hongkong geflohen.
US-Präsident Barack Obama hat die Geheimdienstarbeit verteidigt und argumentiert, dass eine Balance zwischen Terrorismusabwehr und Datenschutz gefunden worden sei. Am Freitag traf er sich mit einem Gremium für Bürgerrechte, um Bedenken zu zerstreuen. Auch hochrangige Kongressabgeordnete haben das Programm verteidigt.